Unsere Mühle mit integrierter Waage.

16. September 2024

Für einen richtig guten Espresso braucht es eine richtig gute Mühle. In der neuen ZURIGA G2-GBW steckt sehr viel mehr Technologie, als man denken würde. Wir glauben aber, dass man davon als Kundin auch gar nichts mitbekommen sollte.

 

Trotzdem haben wir uns mit Silvan zusammengesetzt. Er leitet das Engineering hier und hat die neue «Grind by Weight» Technologie mitentwickelt.

Ihr habt jetzt mehr als ein Jahr an einer Mühle entwickelt. Und von aussen kann ich beim besten Willen keine Veränderung feststellen…

…naja, du musst schon genauer hinschauen. Tatsächlich hat sich optisch wenig verändert. Der Auslöse-Schalter ist verschwunden; und die sogenannten Gabeln sehen anders aus. Ansonsten bleibt alles beim Alten zumindest von aussen betrachtet. 

 

Was habt ihr verändert?

Wir haben eine hochpräzise Waage eingebaut. Sie sitzt unter dem Motor und misst die Kaffeemenge während des Mahlens. 

 

Wie genau funktioniert das?

Am Boden der Mühle haben wir eine Wäge-Zelle verschraubt. Diese Wägezelle ist über ein leicht elastisches Metall mit der Gabel ausserhalb der Mühle verbunden. Und auf dieser Gabel liegt ja dann der Siebträger. Die Mühle mahlt das Kaffeemehl direkt in den Siebträger. Die Wäge-Zelle überwacht während des ganzen Mahlvorgangs das Gewicht des Siebträgers. Sobald die gewünschte Menge erreicht ist, stoppt der Mühlemotor.

 

Mich interessiert als erstes diese Wäge-Zelle, was ist das genau?

Das Teil sieht ziemlich unspektakulär aus. Man kann sich das vorstellen, wie ein Müsli-Riegel aus Aluminium. Er hat in der Mitte eine Ausfräsung und er hat oben ein Dehnmessstreifen aufgeklebt. Die eine Seite des Müsli-Riegels ist mit der Maschine verbunden und die andere Seite ist via Gabel mit dem Siebträger verbunden. Schon bei kleinsten Verformungen des Sensors verändert sich die elektrische Leitfähigkeit. Und genau diese Eigenschaft machen wir uns jetzt zunutze.

 

Diese kleinste Verformung messen das Gewicht?

Genau. Weil der Siebträger über die Gabel mit der Wägezelle verbunden ist. Sobald sich der Siebträger mit Kaffeepulver füllt, verformt sich die Wäge-Zelle. Jetzt müssen wir nur noch den Widerstand am Dehnmessstreifen ausmessen und das analoge Signal so aufbereiten, dass der Mikroprozessor es verarbeiten kann…

 

...ein Signal aufbereiten?

Ja. Tatsächlich beginnt hier die eigentliche Herausforderung. Das analoge Signal ist nämlich erstmal unbrauchbar, es muss «entstört» und geglättet werden. Der typische white noise oder auch das Anfahrdrehmoment der Mühle machen da ein ziemliches Durcheinander. Bildlich kann man sich eine nervöse Messkurve vorstellen, ungefähr so, wie mit einer sehr zittrigen Hand gezeichnet. 
Nach der Entstörung verläuft diese Kurve gleichmässig und kann vom Steuerungsalgorithmus sauber verarbeitet werden. 

Kannst du kurz auf diesen Algorithmus eingehen?

Sobald ein Mahlvorgang gestartet wird, startet auch der Mikroprozessor mit der Berechnung des erwarteten Abschaltzeitpunkt. Die Mühle muss nämlich ihrer Zeit immer ein bisschen voraus sein.

 

«Der Zeit voraus sein», was bedeutet denn das?

Nehmen wir an, dass du mir gleich einen einen doppelten Espresso zubereiten wirst. Dann möchtest du 18 Gramm Kaffeemehl im Siebträger haben. Wenn wir den Mühlemotor erst bei 18 Gramm stoppen würden, dann wirst du am Schluss bei 19 oder 20 Gramm landen. Ganz einfach, weil dieses Kaffeepulver bereits gemahlen und noch auf der Rutsche respektive auf dem Weg zum Siebträger ist. 

 

Ihr müsst die Mühle also vorher stoppen. Aber woher wisst ihr wann genau?

Ja, das ist ziemlich genau die Frage, mit der wir uns die letzten 6 Monate jeden Tag beschäftigt haben. Wir haben einen Algorithmus entwickelt, der im Hintergrund den Mahlvorgang modelliert. Bereits beim Start weiss die Mühle also, wann sie stoppen wird. Nur ist dieser Zeitpunkt noch sehr ungenau. Mit fortschreitender Mahldauer sammelt das System Messpunkte. Diese zusätzlichen Messpunkte präzisieren nun das Modell. Und je adäquater das Modell wird, desto genauer wird dann auch der Abschaltzeitpunkt. Erfreulicherweise hat das sehr gut funktioniert. Wir haben eine Präzision erreicht, wie wir uns das nicht erhofft hatten.

 

Ivo schreibt bei uns ja die Patente. Er hat letzte Woche erwähnt, dass er ein Patent angemeldet hat…

… ja tatsächlich. Das Patent betrifft aber ein anderes Detail der Elektronik. Wir nennen es das «intelligent disturbance handling», es baut auf das oben beschriebene Modell auf.

Welches Problem adressiert dieses Patent?

Normale Mühlen mit sogenannter grind-by-weight Technologie – so nennt man die Mühlen mit Waage – haben oft das Problem, dass sie beim Mahlen im Alltag gestört werden. Meistens, weil jemand den Siebträger berührt, manchmal auch, weil jemand die Mühle verschiebt oder weil der Boden vibriert (ja, zum Beispiel in einem Club oder auch in einer Rösterei, wo schwere Kaffeesäcke umhergefahren werden). Diese Störungen führen jeweils zu Unterbrechungen, die Mühle stoppt.

 

Die ZURIGA Mühle stoppt nicht?

Nein, die ZURIGA Mühle läuft weiter. Sobald sie eine Störung feststellt, wechselt die Mühle auf eine zeitbasierte Mahlung. Dabei greift sie auf den wahrscheinlichsten Abschaltzeitpunkt zurück, den wir ihr gelernt haben. Während dem Mahlprozess läuft also ein grind-by-time Modell parallel mit. Auch dieses wird ständig neu parametriert. Und sobald eine Störung auftritt, wechselt die Mühle von grind-by-weight auf grind-by-time. 

 

Bei einer Störung wird die Mahlmenge also weniger präzise, weil auf grind-by-time gewechselt wird?

Nein, respektive: nur wenn die Störung ganz am Schluss auftritt. Falls du jetzt den Siebträger einlegst, wird sie zuerst den Siebträger tarieren. Sobald das Tarieren erfolgreich war, startet der Motor. Wenn du jetzt den Siebträger berührst mahlt die Mühle weiter und wechselt auf grind-by-time. Gleichzeitig weist sie dich optisch darauf hin, dass du sie gestört hast. 

 

Und wenn ich die Finger jetzt wieder vom Siebträger wegnehme?

Dann wechselt die Mühle sofort wieder zurück in den grind-by-weight Modus. Und wenn du dich jetzt zurückhältst, dann ist die Präzision identisch, wie wenn die Mühle gar nie gestört wurde. 

 

Diese Technologie gibt es bis jetzt noch nicht?

Nein, diesen Ansatz haben wir noch bei keiner Mühle gesehen. Nachdem wir das Konzept erst nur auf dem Papier entwickelt hatten, waren wir überrascht, wie einfach und intuitiv das alles funktioniert. Wir nennen es «ZURIGA intelligent disturbance handling». Und wir haben es jetzt auch zum Patent angemeldet.

 

Was, wenn ich aber trotzdem will, dass die Mühle bei einer Störung stoppt? 

Dazu haben wir eine hidden-function respektive ein kleines easter-egg eingebaut. Wer den Drehschalter an der Mühle circa 5x nach rechts dreht, kann die Mühle in einen anderen Modus setzen. Dann wird die gemahlene Menge in Zehntelgramm ausgegeben. Und die Mühle stoppt jeweils, sobald sie gestört ist.

 

Der Nerd-Modus sozusagen?

Ja, intern nennen wir ihn tatsächlich so. Ich selber hätte diesen Modus ja viel lieber als Standard-Modus eingesetzt. Aber vom Produkt- und Design-Team kam der sehr starke Wunsch nach Einfachheit. Darum auch der Balken, der sich langsam nach rechts auffüllt. Ich hab mich mittlerweile gut damit abgefunden. Und tatsächlich läuft auch meine Mühle zuhause wieder in diesem einfachen aber eleganten Modus.

 

Habt ihr sonst etwas verändert?

Ansonsten bleibt alles beim Alten. Mit dem Mahlwerk selber sind wir sehr zufrieden. Die Verstellung ist einfach und robust, die Malscheiben mahlen sauber. Wir haben darum sehr viel investiert, dass die Mühle auch nachträglich noch aufgerüstet werden kann. 

 

Ein Upgrade also?

Ja genau. Wir nehmen die Mühle für ein paar Stunden hier in die Manufaktur und bauen die Wägezelle ein. Das ist zwar nicht ganz einfach und braucht ehrlicherweise fast gleichviel Zeit wie der Bau einer neuen Mühle. Aber es müssen nur ein paar wenige Bauteile ersetzt werden. Umso schöner also, wenn all diese bereits produzierten Mühlen weiter im Einsatz bleiben können.